Die Filmstarts-Kritik zu Asteroid City (2024)

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

Nicht mal der unverkennbare Goth-Look vonTim Burton wird derart oft zitiert und parodiert wie der pastellfarbene Symmetrie-Stil von Wes Anderson: Zuletzt ging ein mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erstellter Fake-Trailer zu einem vom „Die Tiefseetaucher“-Regisseur inszenierten „Star Wars“-Film namens„The Galactic Menagerie“ im Netz viral – und tatsächlich kann man den Clip an jeder beliebigen Stelle stoppen und wird trotzdem immer sofort erkennen, welcher Künstler hier Pate gestanden hat. Aber so einfach ist es natürlich auch wieder nicht: Weder eine KI noch sonst jemand kann Wes Anderson WIRKLICH kopieren – denn zum präganten Look kommt bei ihm eben immer auch noch ein staubtrockener Humor („Rushmore“), ein großes Herz für – möglichst skurrile – Außenseiter („Die Royal Tenenbaums“) sowie eine intellektuelle Strenge („The French Dispatch“), die seine Filme über den Rang simpler (Wohlfühl-)Kuriositäten erhebt.

Bei einem Filmemacher mit einem derart spezifischen Stil liegt es auf der Hand, dass es neben (Hardcore-)Fans auch viele gibt, die mit seinen Werken so gar nichts anfangen können. Nach den ersten Szenenbildern sowie einem ersten Teaser-Trailer hätte man bei „Asteroid City“ allerdings leicht auf die Idee kommen können, dass sich Wes Anderson diesmal – wie bei seinem bislang größten Hit „Moonrise Kingdom“ – wieder einem weitergefassten Publiku*mskreis öffnen könnte. Aber Pustekuchen: Trotz Tom Hanks, schlichtweg fantastischen Sets sowie Anklängen an das populäre Sci-Fi-Katastrophen-Kino der 1950er Jahre ist „Asteroid City“ der bislang distanzierteste Langfilm des Regisseurs – mit den neuen Fans wird es da eher schwierig, und speziell die schwarz-weiße Rahmenhandlung könnte womöglich selbst Anhänger*innen als allzu selbstbezogen-meta aufstoßen.

Die Filmstarts-Kritik zu Asteroid City (1)

Keine Überraschung: Wes Anderson hat seine Vorliebe für symmetrische Einstellungen auch in „Asteroid City“ nicht verloren.

Das US-Wüstenkaff mit den 87 Einwohner*innen trägt den Namen „Asteroid City“, weil hier vor 3.000 Jahren mal ein Meteorit eingeschlagen ist und einen stattlichen Krater hinterlassen hat. Mitte der 1950er Jahre gibt es hier ein staatliches Observatorium, eine Autowerkstatt, ein Diner und ein Motel, dessen Betreiber (Steve Carell) einen kürzlich abgebrannten Bungalow zum Unmut seiner Gäste einfach durch ein Zelt ausgetauscht hat. Außerdem wird alljährlich ein Preis an die besten Nachwuchs-Erfinder*innen der USA vergeben (sogar ein voll funktionsfähiger Todesstrahl steht zur Auswahl).

Deshalb hat es u.a. auch den frisch verwitweten Kriegsfotografen Augie Steenbeck (Jason Schwartzman) mit seinem Sohn Woodrow (Jake Ryan) sowie die Hollywoodschauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) mit ihrer Tochter Dinah (Grace Edwards) nach „Asteroid City“ verschlagen. Aber dann kommt plötzlich ein Alien in seinem Raumschiff angeflogen und nimmt den damals abgestürzten Meteoriten mit. Für den Fünf-Sterne-General Grif Gribson (Jeffrey Wright) ist die Sache damit klar – das US-Militär hat für solche Vorkommnisse strikte Notfallpläne, und so wird Asteroid City erst einmal unter strikte Quarantäne gestellt…

Die Filmstarts-Kritik zu Asteroid City (2)

Tom Hanks hat einfach ein Händchen für trockenen Humor – sein Timing ist auch in „Asteroid City“ makellos.

Natürlich erzählt Wes Anderson die Geschichte nicht einfach so. Stattdessen beginnt der Film mit einer alten TV-Sendung, die von „Breaking Bad“-StarBryan Cranston moderiert wird und die einen Theaterautor (Edward Norton) dabei begleitet, wie er sein neuestes Stück (nämlich eben „Asteroid City“) schreibt und produziert. Speziell Jason Schwartzman springt dabei immer wieder zwischen den im schwarz-weißen 4:3-Format gedrehten TV-Bildern und den pastellfarbenen Breitbildeinstellungen des „eigentlichen“ Films hin und her: Da werden dann Sätze, die im Stück irgendwie keinen Sinn ergeben, noch mal mit dem Autor persönlich ausdiskutiert. Und Margot Robbie, deren Auftritt aus dem Stück „herausgekürzt“ wurde und die deshalb nur noch als Fotografie in der eigentlichen Handlung auftaucht, darf dann zumindest im TV-Rahmen doch noch für eine kurze Szene vorbeischauen.

Das klingt kompliziert – wirkt aber vor allem beliebig bis selbstverliebt. Sobald einem eine der zahllosen Figuren mal ein klein wenig ans Herz gewachsen ist oder man begonnen hat, der Sci-Fi-Erzählung mit einem Hauch von Spannung zu folgen, flüchtet sich Wes Anderson in der Regel doch recht schnell wieder in einen surrealen Meta-Ausweg. Dabei hat er mit „Asteroid City“ doch eigentlich die wohl beste Miniatur seiner gesamten Karriere geschaffen – die Sets sind derart detailreich mit liebevollen Kuriositäten vollgestopft, dass man sich den Film vermutlich ein Dutzend mal anschauen müsste, um wirklich alle zu entdecken (was auch daran liegt, dass „Asteroid City“ ein noch höheres Tempo als andere Anderson-Filme an den Tag legt, weshalb das längere Schwelgen in einem der Sets meist flachfällt).

Die Filmstarts-Kritik zu Asteroid City (3)

Scarlett Johansson hinterlässt bei ihrem ersten Live-Action-Auftritt in einem Wes-Anderson-Film noch den nachhaltigsten Eindruck aller Cast-Mitglieder!

Nur wäre das mit dem dutzendfachen Schauen vermutlich eine ziemliche Qual: Wenn man sich kurz über den Auftritt des nächsten Superstars gefreut hat, ist dieser in der Regel auch schon wieder vorbei – noch mehr als in früheren Filmen weigern sich Anderson und sein Story-Co-SchöpferRoman Coppola ziemlich konsequent, ihrem Publikum mehr als nur minimale Bruchstücke mit an die Hand zu geben. Die meisten Schauspieler*innen kriegen deshalb auch so gut wie gar nichts zu tun – und sind offenbar vornehmlich dazu da, damit auf dem Poster und im Trailer noch ein bekannter Name mehr in die eh schon obszön-prominente Besetzungsliste hineingequetscht werden kann. Die richtig guten Pointen lassen sich hingegen an zwei Händen abzählen.

Trotz dieser Limitierungen hinterlassen vor allem die beiden Anderson-Newcomer Scarlett Johansson (war bisher nur als Stimme in „Isle Of Dogs“ dabei) und Tom Hanks (hat zuvor noch gar nicht mit Anderson gearbeitet) einen starken Eindruck: Die „Black Widow“-MCU-Heldin legt ihre Hollywoodstar-Rolle irgendwo zwischenLiz Taylor undMarilyn Monroe an – mit einer nuancierten Warmherzigkeit, wenn sie bei ihren Fenster-Flirtereien mit Augie darüber nachdenkt, ob für sie vielleicht doch noch ein normales Leben möglich ist. Und Tom Hanks ist als Südstaaten-Großvater mit im Shorts-Hosenbund eingesteckter Knarre für viele der lustigsten Momente verantwortlich – vor allem im Zusammenspiel mit seinen offenbar direkt aus „Macbeth“ entsprungenen Vorschul-Nichten, die ihn mit ihrer frechen Schlagfertigkeit regelmäßig ganz schön auflaufen lassen…

Fazit: An der titelgebenden Mini-Stadt kann man sich praktisch kaum satt sehen – und es gibt in „Asteroid City“ auch sonst eine Reihe wirklich toller Momente, das lässt sich ja schließlich auch gar nicht vermeiden, wenn ausgerechnetJeff Goldblum das Alien spielt. Aber was Wes Anderson und seine Superstar-Armada diesmal in den erneut unverkennbaren Sets anstellen, ist streckenweise dennoch so trocken wie der omnipräsente Wüstensand – und das liegt in diesem Fall definitiv mehr am Autor Wes Anderson als am Regisseur Wes Anderson.

Wir haben „Asteroid City“ beim Cannes Filmfestival 2023 gesehen, wo er in den offiziellen Wettbewerb eingeladen wurde.

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